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Emanzipation hat Geschichte: Der Begriff wurde von Befreiungsbewegungen übernommen, verändert und erweitert. Insbesondere der Feminismus hat ihn in einer Weise beeinflusst, die ihn für die heutige Linke besonders wertvoll macht.

Emanzipation verbindet Aspekte linker Politik, die nicht immer leicht zusammen gehen wollen: Utopie und politische Praxis, aktive und passive Befreiung, sowie individuelle und kollektive Ansätze.

Umfassende Emanzipation erfordert eine ebenso umfassende Herrschaftskritik. Die Kritik und Analyse von Herrschaftsstrukturen geht dabei vom Großen bis ins Kleine, und hat Konsequenzen auch für das zwischenmenschliche und persönliche Leben.

Es gibt eine Reihe von ernst zunehmenden Einwänden gegen Emanzipation als linken Leitbegriff. Manche davon lassen sich entkräften. Andere erfordern eine Neuaneignung, eine gezielte Aufarbeitung von Fehlern der Linken, die sich auch mit diesem Begriff verbinden.

20 Schlussfolgerungen für emanzipatorische Politik

1. Es gibt gute Gründe Emanzipation als einen zeitgemäßen Leitbegriff der Linken zu diskutieren …

– Emanzipation ist ein Begriff mit einer langen Geschichte linker Bewegung, verwendet im Kampf gegen Sklaverei, Patriarchat, Judenverfolgung und die Unterdrückung und Ausbeutung von Arbeiter*innen.
– Er verbindet viele Aspekte linken Denkens und linker Politik, verbindet Realpolitik mit Utopie, konkrete Forderungen mit allgemeinen Zielen, Selbstbefreiung mit Solidarität, und individuelle Emanzipation mit der Befreiung von sozialen Gruppen und schließlich aller Menschen.
– Emanzipation verweist zudem auf Herrschaft, und damit auf ein solides Fundament für linke Politik. In Herrschaftskritik finden linke Bewegungen theoretisch zusammen – über die Verbindung von Patriarchatskritik mit Kapitalismuskritik mit Rassismuskritik usw..

2. Emanzipation ist keine Blaupause …

… sondern beschreibt nur allgemeine Grundlagen linker Politik. Emanzipatorische Politik hält den Blick offen für die Realität, offen für Zweifel und Widersprüche. Emanzipation eignet sich deshalb um so mehr für eine kritisch-reflektierte politische Praxis.

3. Emanzipation legt abstrakte, durchaus radikale Grundlagen …

… als Überwindung aller Herrschaftsverhältnisse. Ein abstraktes Fernziel wie dieses, lässt sich undogmatisch mit praktischer Politik verbinden – in Initiativen, Verbänden und Parlamenten. Die Überwindung von Herrschaftsverhältnissen gibt eine grobe Richtung vor, aber nicht den Weg.

4. Das Erlangen und Erhalten von Privilegien …

… ist DAS Ziel von Herrschaftsprojekten. Privilegien und Diskriminierung sind deshalb nie Ziel von emanzipatorischer Politik. Die eigene Befreiung ist nur dann Emanzipation, wenn Sie im Zusammenhang mit der Befreiung aller Menschen steht.

5. Politiken gegen Diskriminierung schränken vorhandene Privilegien ein.

Sie richten sich gegen Herrschaftsstrukturen. Das heißt im Umkehrschluss: In einer männerdominierten Gesellschaft werden Männer durch die Einschränkung ihrer Privilegien nicht diskriminiert.

6. Herrschaft und Emanzipation beschreiben gesellschaftliche Phänomene. Das eigene Leben …

… und die persönliche Entwicklung, sind mit diesen aber eng verknüpft. Das Denken und Handeln jeder Einzelnen zählt, auch wenn gesellschaftliche Prozesse oft übermächtig und unaufhaltsam erscheinen.

7. Befreiung und neue Handlungsspielräume fühlen sich gut an.  Emanzipation ist aber kein ungebremster Egotrip …

…, und genauso wenig die absolute Unterordnung unter die Gemeinschaft oder den Staat. Emanzipation braucht reflektierten Eigennutz gepaart mit Fürsorge und gegenseitiger Anerkennung.

8. Wie wir miteinander umgehen ist nicht nebensächlich, sondern entscheidend …

… dafür, das linke Ideen auch zu linker Politik werden. Zu emanzipatorischer Politik gehört daher auch emanzipatorisches Verhalten: d.h. Respekt, Kritik, Solidarität … bzw. kein Chauvinismus, Opportunismus … usw.

9. Emanzipation bedeutet neben der Veränderung des eigenen Verhaltens auch die Veränderung der Rahmenbedingungen.

Emanzipation richtet sich auf die kleinen lokalen Strukturen, auf Vereine, eine Nachbarschaft, oder auch auf eine ganze Stadt, auf Verteilungsfragen und Spielregeln … bis hin zu globalen Fragen, wie der Erhaltung der Lebensbedingungen für die heutigen Kinder und deren Kinder.

10. Ein umfassende Emanzipation richtet sich gegen alle Herrschaftsverhältnisse.

Diese dürfen deshalb nicht gegeneinander in Stellung gebracht werden – die eine Form von Herrschaft darf nicht als grundsätzlich wichtiger als die andere eingestuft werden. Patriarchat, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus usw. werden selbstverständlich heute bekämpft, und nicht erst, wenn der Kapitalismus überwunden scheint.

11. Auch Bildung und Wissenschaft können sich nicht neutral verhalten.

Die Verflechtungen mit diesen Herrschaftsverhältnissen, sowie das jeweilige emanzipatorische Potential, müssen deshalb eine immer größere Rolle spielen.

12. Emanzipation richtet sich auch gegen staatliche Herrschaftstrukturen und kapitalistische Ausbeutung …

… damit nicht nur eine privilegierte Schicht, sondern ALLE Menschen selbstbestimmt und friedlich leben können. Das gilt auch, solange emanzipatorische Politik zum Teil auf das Funktionieren dieser Institutionen angewiesen ist.

13. Denn Kapitalismus und moderne Rechtsstaaten bieten auch Handlungsmöglichkeiten.

Emanzipatorische Politik kann – wenn sie sich darin nicht erschöpft – diese Spielräume für eine demokratische Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse nutzen, verzichtet dabei aber auf Nationalismus und autoritäre Mittel.

14. Emanzipation ist nicht nur angenehm …

sondern konflikthaft und bisweilen eine Herausforderung für jede Einzelne. Immer reflektiert und solidarisch sein gelingt einfach nicht. Die Lösung von alten Angewohnheiten kann schmerzhaft sein. Es braucht einen Spielraum für Fehler und menschliche Schwächen.

15. Emanzipation ist kein unbelasteter Begriff …

… ist verknüpft mit Aufklärung und den Bürgerlichen Revolutionen, was aus linker Sicht durchaus gemischte Gefühle erzeugt. Beim Versuch einer Neu-Aneignung von ‚Emanzipation‘ müssen die paternalistischen, eurozentrischen und egozentrischen Aspekte benannt und kritisiert werden. Emanzipation ist kein über jeden Zweifel erhabener Kampfbegriff und keine geschlossene Ideologie.

16. Solange Emanzipation jedoch nicht von links neu definiert wird, kann der Begriff beliebig interpretiert werden …

… und läuft Gefahr noch weiter für einen rechtskonservativen Kulturkampf gegen Muslime verhunzt zu werden. Bestenfalls bleibt er ein Platzhalter, eine offene Klammer. Das öffnet zwar Chancen für große politische Bündnisse. Der Nachteil ist, dass sich so nur schwer Grenzen etwa Richtung Querfront und Stalinismus ziehen lassen.

17. Eine Neubestimmung von Emanzipation auf der Grundlage von 200 Jahren linker Geschichte …

… könnte die Linken Bewegungen womöglich ein Stück näher zusammenrücken lassen, und dadurch ein paar Schritte voran bringen. Insbesondere mit Herrschaftskritik im Hintergrund lassen sich hier nützliche allgemeine Grundlagen bestimmen, ohne die konkrete Politik vorweg zu nehmen.

18. Konkrete Utopien einer befreiten Gesellschaft …

… regen die Phantasie an und motivieren manche zum Engagement für eine bessere Welt. Als ‚gemeinsame Grundlage für eine breite Linke‘ sind sie jedoch zu spekulativ. Emanzipation und Herrschaftskritik sind deutlich besser als allgemeine „normative“ und ethische Grundlagen für Linke Politik und Debatten geeignet – weil sie abstrakt bleiben, und sich auf die Beobachtung des Gestern und Heute beziehen.

19. Realpolitik und Utopie müssen jedoch kein Gegensatz sein …

… wenn sich beide von emanzipatorischen Ideen leiten lassen. Konkrete Praxen müssen genauso auf ihren emanzipatorischen Gehalt hin überprüft werden wie Utopien.

20. Emanzipation und Herrschaftskritik sind über die zahlreichen alternativen Lebensformen …

… mit dem Morgen verbunden. Projekte mit einem hohen Grad an Selbstbestimmung, Basisdemokratie, Inklusion und Solidarität, mit neuen Formen demokratischen Wirtschaftens, sind wichtige soziale Nischen und Experimente für eine bessere Welt.